
Santōkas Haiku sind roh, direkt, lakonisch, oft von Einsamkeit und Vergänglichkeit geprägt. Aber wenn man sie weiter denkt, kann man daraus ungewöhnliche, aber womöglich tiefgründige Schlussfolgerungen ziehen. Und zwar über das Essen, die Farben, Geräusche, aber auch über Lebensstil, Kleidung, Objekte, Rituale und mehr. Hier sind einige interessante Schlussfolgerungen, die man aus seinen Haiku und seinem Leben ableiten kann. Über seine Trinkgewohnheiten.
Temperatur
Definitiv unterkühlt. Zwischen 5 und 15 °C. Santōka war oft kalt und durchnässt, seine Haiku spielen selten in der Hitze. Herbst, Spätherbst, kühler Frühling, das ist seine Welt. 5–10 °C, kalte Morgen, Regen, feuchte Kleidung. 10–15 °C wandernd, melancholisch, aber nicht erstarrt. Über 20 °C? Das klingt nicht nach ihm. Unter 0 °C? Zu extrem für seine Haiku, in denen es zu wenige Beschreibungen von Schnee oder Frost gibt.
Frucht
Die Kaki (Persimone, Sharon) ist öfter in seinen Haiku zu Gast. Sie ist süß, weich, überreif, wie das Alter. Satt und orangefarben, aber vergänglich, genau wie seine Momente. Die letzte Süße, bevor alles zerfällt.
Baum
Kiefern stehen überall in Japan, oft an kargen Straßen oder Tempeln. Sie sind rau, widerstandsfähig, einsam, genau wie der Dichter. Diese Bäume stehen im Wind, im Regen, ohne Klage. Man sieht es ihnen an. Sie ist kein zarter Kirschbaum, eine Kiefer bleibt, was sie ist.
Geruch
Seine Welt roch nach nassem Stoff, nach Regen und Wind, nach Schweiß und Reisstroh und nach der Gesellschaft anderer Menschen in den Herbergen unterwegs. Aber auch nach Sommerblumen, Wiesen und am liebsten nach Herbst.
Geräusch
Das Geräusch der Einsamkeit. Schritte auf nassem Laub oder Sand. Kein lautes Krachen, nur leise Schritte, dumpf. Immer in Bewegung, nie still, aber auch nie eilend. Alternativ: Tropfender Regen. Das leise Gurgeln eines Baches. Der Wind in den Kiefern. Vogelgesang.
Zimmer
Sein perfekter Raum wäre leer. Ein Bett, kein Tisch, vielleicht nur eine dünne Matte, eine Schale, ein Mantel. Minimalismus? Nein, eher Notwendigkeit. Seine Haiku sprechen von Orten, aber nie von Besitz. Würde Santōka heute leben, hätte er keine Möbel, sondern vielleicht nur eine zusammengerollte Decke und ein paar Steine als Kopfkissen.
Schreibutensilien
Sein Schreibwerkzeug wäre abgenutzt. Kein luxuriöser Füller dürfte er sein Eigen nennen, sondern einen billigen Pinsel, stumpf, abgenutzt. Kein schicker Notizblock, ein zerfleddertes Heft, müsste genügen Seiten voller Tintenkleckse. Er hätte keine Angst vor Fehlern weil seine Haiku nicht perfekt, sondern wahrhaftig sein mussten. Würde er heute schreiben, dann mit einem abgekauten Bleistift auf der Rückseite einer Papiertüte.
Kleidungsstil
Sein Style: Abgetragen und unauffällig. Ein alter Kimono, ausgewaschen, wahrscheinlich geflickt. Barfuß oder Strohsandalen, egal bei welchem Wetter. Nicht aus Stilgründen, sondern weil alles andere Ballast wäre. Würde er heute leben, würde er Second-Hand-Kleidung tragen, ohne sich um Mode zu kümmern.
Musik
Seine Musik wäre die Stille. Keine lauten Töne, keine schnellen Rhythmen. Vielleicht nur das Geräusch seiner Schritte, des Regens, des Windes. Wenn Musik, dann nur Zen-Flötenklänge oder leises Saitenspiel. Glocken würden passen. Würde er heute leben, würde er keinen Kopfhörer tragen, er würde nur dem Moment lauschen.
Geld
Santōka hätte kein Verhältnis zu Geld und konnte damit nicht besonders gut umgehen. Er nahm, was er bekam, aber hielt nichts davon fest. Wenn er Geld hatte, gab er es aus (meist für Sake). Er wäre heute jemand, der immer knapp bei Kasse ist. Würde er heute leben, hätte er weder Konto noch Rücklagen, nur ein paar Münzen in der Tasche.
Bett
Seine Schlafstätte wäre improvisiert. Eine Bank unter einem Tempeldach, ein Platz unter Bäumen. Er schlief, wo er konnte, nie bequem, nie fest. Sein Schlaf war unruhig, rastlos, aber er stellte keine Ansprüche. Würde er heute leben, würde er oft draußen nächtigen oder in Bahnhöfen und Wartehallen.
Mitmenschen
Sein Verhältnis zu Menschen wäre distanziert, aber nicht feindlich. Er begegnete anderen, sprach, nahm Almosen, aber zog immer weiter. Er war kein Asket, aber auch kein geselliger Mensch. Er hätte keine engen Freunde, nur zufällige Begegnungen, wie die Blumen am Wegesrand. Würde er heute leben, hätte er kein Handy, würde die Medien ignorieren. Es wäre nur eine flüchtige Bekanntschaft mit der Welt.
Rituale
Seine Rituale wären einfach, aber tief. Ein stiller Moment mit einer Schale Tee. Vielleicht ein kleines Feuer am Straßenrand. Kein großer, überlieferter Zen-Brauch, sondern etwas ganz Einfaches, Rohes. Würde er heute leben, wäre sein Ritual vielleicht, morgens ein Stück Brot in den Händen zu wärmen, bevor er es isst.
Luxus
Sein einziger Luxus wäre ein Moment der Schönheit. Eine überreife Kaki vielleicht. Ein klarer, weiter Himmel. Der Klang des Regens in der Nacht. Er hätte nichts und doch hätte er alles. Würde er heute leben, würde er sich manchmal eine heiße Suppe gönnen, aber nur, wenn es wirklich kalt ist.
Sein Zuhause wäre der Weg
Kein Tempel, kein Haus, kein fester Ort. Er würde nicht ankommen, nur weitergehen. Immer in Bewegung, nicht weil er muss, sondern weil er es nicht anders kennt. Würde er heute leben, hätte er keinen Mietvertrag, da wäre nur die Strecke, die er gehen will.
Santōka wäre heute …
Ein Landstreicher, aber einer mit Würde. Ein Minimalist, doch nicht aus einem Trend heraus, sondern weil er nichts braucht. Ein Mensch der kleinen Dinge, der unterwegs isst, trinkt, schläft, denkt und schreibt. Jemand, der die Welt beobachtet und dann weiterzieht.
Seine Haiku zeigen nicht nur seinen Geist, sondern auch seine Lebensweise. Sie sind so schlicht wie seine Wege, so wortkarg wie seine Gespräche und so vergänglich wie die Momente, die er mit Worten einfing.